Veras BLOG
Was die Auswahl deiner Blockflötenstücke für dich bedeuten kann
Wenn du Blockflöte spielst und dein technisches und musikalisches Können dabei weiterentwickeln möchtest, brauchst du eine Art “Fahrplan”, der dir sagt, was du üben kannst, um deine individuellen Ziele zu erreichen.
Natürlich ist dafür auch deine Blockflöten-Lehrkraft zuständig, die mit dir die passende Vorgehensweise und die Auswahl deiner Noten bespricht.
Vielleicht nimmst du aber auch gar keinen regelmäßigen Unterricht und möchtest dir deinen eigenen Plan machen.
Hier möchte ich gerne mal auf die Spielstücke eingehen, die du wählen kannst und dir einige Tipps an die Hand geben, wie du deine Auswahl treffen kannst, sodass sie genau auf deine Ambitionen passt.
1. Spielstücke als Teil deines gesamten “Fahrplans”
Insgesamt könnte so ein “Blockflöten-Fahrplan” in etwa folgendes enthalten:
verschiedene Spielstücke (als Hauptbestandteil)
Etüden
Tonleitern
Übungen zur Improvisation/Verzierung
Auswendig spielen üben
Wir gehen jetzt mal nicht vom Idealfall aus - dass du nämlich 3 Stunden pro Tag Blockflöte üben möchtest. Es ist trotzdem möglich, alle diese Bestandteile auch regelmäßig in kürzerem Üben einzubauen, aber das lassen wir jetzt mal beiseite.
Hier würde ich dir gerne mal nur einige Anregungen und einen Überblick mitgeben, wie du die richtigen Spielstücke auswählen kannst, sodass es einen mittel- oder langfristigen Sinn für dich ergibt.
2. Was kannst du an Spielstücken lernen oder trainieren?
Abgesehen davon, dass du bestimmte Musikstücke einfach schön findest und können möchtest und es dir deshalb Spaß macht, sie zu spielen, kannst du auch von ihnen profitieren. Sie können dir helfen, bestimmte spieltechnische und musikalische Fertigkeiten weiterzuentwickeln.
Dabei die richtige Auswahl zu treffen bedeutet erstmal, dass die Stücke dich nicht unter- oder überfordern.
In jedem Musikstück wirst du verschiedene Herausforderungen für dein Blockflötenspiel entdecken, und eine kommt selten allein. Es gibt zum Beispiel Stücke
- bei denen dein Atem herausgefordert wird/trainierter sein müsste
- die echt hohe Töne enthalten (Bach Partita, Telemann Fantasien)
- die Tänze sind, wie z.B. Menuett, Gavotte, Bourree…und entsprechend interpretiert werden müssten
- die frei verziert werden sollten (langsame Sätze)
- die festgelegte Ornamente enthalten
- sie sehr schnell gehen (z.B. Vivaldi)
- die viele Vorzeichen enthalten
- die einen schwierigen Rhythmus haben
- die viel abwechselnde/schwierige Artikulation enthalten (z.B. Doppelzunge)
- mit denen du musikalisch irgendwie nichts anfangen kannst
- die barocke Interpretation abverlangen
- die viel Dynamik erfordern
- die du auswendig können möchtest
Ups, das ist ja eine riesen Liste…aber keine Sorge: du brauchst erst mal diesen allgemeinen Überblick - um dann deine eigene Auswahl treffen zu können. Und dabei möchte ich dir helfen.
3. Hat dein Musikstück das richtige Potenzial?
Vielleicht hast du schon einige Gedanken darüber, was du an deinem Blockflötenspiel verbessern könntest.
Ich möchte dich hier mal bitten, dir höchstens 3 Dinge für dich selbst zu nennen, die bei deinem Blockflötenspiel noch nicht nach Wunsch klappen.
Welche das bei dir sein könnten, kann ich natürlich nicht wissen, aber ich nenne dir nur mal ein paar Beispiele: lockere Finger, gut gestützter Atem, Ideen für freie Verzierungen, schnellere Zunge usw….
Aber bitte beschränke dich auf höchstens 3 dieser Dinge und entscheide dich, was zur Zeit deine größten “Baustellen” sind (du kannst dabei auch die lange Liste aus Punkt 2 zu Rate ziehen):
1…………………………………
2…………………………………
3…………………………………
Nun kannst du entscheiden, deinen Fokus auf 1 bis 3 dieser Schwierigkeiten legen zu wollen in der Auswahl deines nächsten Stückes, das du übst. Natürlich wird es kaum ein Stück geben, in dem wirklich nur deine (höchstens) 3 Aspekte vorkommen, aber vielleicht möglichst wenige andere.
Du suchst dir eines aus, das zu diesem Fokus passt. Deinen Fokus kannst du auch noch auf weitere Punkte legen - aber vielleicht besser bei einem anderen Stück.
Als Beispiel: wenn deine 3 Ziele beim nächsten Musikstück sein sollen, dass du deine hohen Töne gerne sicherer treffen würdest, dass du ein Menuett schön tänzerisch spielen oder dich endlich mal an Triller heranwagen möchtest, dann wähle ein Menuett aus, das einige, aber nicht allzu viel hohe Töne enthält und das von seiner Struktur her übersichtlich ist - also kein kompliziertes mit vielen Sechzehnteln von Bach zum Beispiel. Und Triller kommen ohnehin meist in einem Menuett vor.
Ein Menuett von Bach kannst du trotzdem spielen, aber vielleicht liegt dein Fokus dann zum Beispiel auf schnellen Noten, schwierigen Griffverbindungen oder deinem Atem, der durchhalten soll.
Es reicht auch vollkommen aus, wenn du nur 1 Fokus oder 2 bestimmst - wichtig ist aber vor allem, dass
- dein Stück nicht zu große individuelle Herausforderungen enthält, sodass du entmutigt wirst und gar nicht weißt, wie du das jemals hinbekommen solltest.
- du dich von ein paar anderen Schwierigkeiten nicht ablenken lässt. Denke dir: daran übe ich gezielt ein anderes Mal oder an einem anderen Stück.
4. Der wichtigste Schritt ist KLEIN…!
Wenn du deine 1 bis 3 Ziele für dein momentanes Blockflötenspiel bestimmt und ein entsprechendes Musikstück gefunden hast, dann wäre mein Tipp, dass du überlegst, was vom großen Ganzen jeweils der erste und leicht zu bewältigende Schritt sein könnte.
Hier mal 3 Anregungen/Beispiele:
1. Du möchtest deinen Atem trainieren und hast schon ein Stück ausgesucht, bei dem du lange Passagen spielen musst, ohne zwischendurch atmen zu können.
Dann könnte der erste kleine Schritt sein, dass du einige Atemübungen ohne die Blockflöte machst oder, noch vorher, erstmal in Erfahrung bringst, wie die Atemstütze überhaupt funktioniert.
2. Du spielst schon längst Telemann- und Bach-Sonaten rauf und runter, aber du möchtest die Ansprache deiner hohen Töne gezielt verbessern?
Anstatt dafür eine Fantasie von Telemann zu nehmen, die gespickt ist mit hohen Tönen, entscheide dich zu diesem Zweck lieber für eine Sonate aus dem “Getreuen Musicmeister”.
3. Du hast keine Ideen für freie Verzierungen?
Versuche dann doch mal, eine einzige Verbindung zwischen 2 Tönen mit 1, 2 , 3 , 4 usw. Noten mit verschiedenen Notenwerten aufzufüllen - du wirst dich wundern, wie viele Möglichkeiten es dafür gibt.
Und mache dir klar, dass alle auch längeren und komplizierten Verzierungen aus vielen solchen kleinen Bausteinen bestehen. Durch deine “Mikro-Verzierung” werden dir weitere Ideen kommen, wie du Töne elegant und einfallsreich miteinander verbinden kannst.
Nachdem du dies gelesen und dir dazu deine Gedanken gemacht hast, wirst du bestimmt beim nächsten Mal mit ganz anderen Augen in neuen Noten stöbern… ich wünsche dir jedenfalls, dass auf diese Weise die Auswahl deiner Stücke eine ganz neue Bedeutung für dich bekommen hat.
Bei der Erstellung deines “Fahrplanes” wünsche ich dir viel Erfolg!